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Medizinische Leistungen

Empfindliche Stützen

Durch verbesserte Diagnostik und Behandlungsmethoden können Verletzungen der Kreuzbänder erfolgreich therapiert werden. Mit etwa 40 Prozent nehmen die Bänder bei behandlungsbedürftigen Knieverletzungen eine traurige Spitzenposition ein. Und knapp die Hälfte dieser Bandverletzungen betrifft das vordere Kreuzband, nur etwa 4 Prozent das hintere. Insgesamt, so lauten Schätzungen, reißen in Deutschland in jedem Jahr 80.000 bis 100.000 Kreuzbänder, davon mehr als 80 Prozent beim Sport.
Artikel vom 09/03/2021

Empfindliche <strong>Stützen</strong>
Empfindliche <strong>Stützen</strong>
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Diese Verletzung kann eine schwere Funktionsstörung des Kniegelenks verursachen, die den Betroffenen in seiner Aktivität einschränkt und im schlimmsten Fall zum vorzeitigen Gelenkverschleiß bis hin zur Belastungsunfähigkeit und Kniearthrose führt. Eine frühzeitige Diagnose und geeignete Therapie helfen, negative Spätfolgen für das Kniegelenk zu vermeiden. Spezielle krankengymnastische und trainingstherapeutische Behandlungsformen haben eine vordringliche Bedeutung in der Behandlung. Oft ist aber auch eine Operation notwendig, um die Stabilität des Kniegelenks wiederherzustellen. Die Sportmedizin hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte bei der Diagnostik und Behandlung gemacht, durch die die früher häufig schlechte Prognose bei dieser Verletzung entscheidend verbessert werden konnte.

Die Funktion der Kreuzbänder

Die Funktion der Kreuzbänder

Die Kreuzbänder haben eine enorm wichtige Funktion im komplexen Gefüge des Knies.

In jedem Kniegelenk hat der Mensch zwei Kreuzbänder, ein vorderes und ein hinteres. Es handelt sich hierbei um drei bis fünf Zentimeter lange Bänder, die kreuzförmig verlaufen. Das vordere Kreuzband ist eines von vier wichtigen Bändern im Kniegelenk, das den Oberschenkel- und Unterschenkelknochen gegeneinander
verspannt und damit das Kniegelenk bei Bewegungen stabilisiert. Das vordere Kreuzband liegt hinter der Kniescheibe in der Mitte des Kniegelenkes. Es hat eine enorme Reißfestigkeit und kann einer Gewichtsbelastung von über 200 Kilogramm widerstehen. Bei normaler Funktion sorgt es dafür, dass die Bewegungen zwischen den Knorpelflächen des Kniegelenks harmonisch ablaufen, und beugt damit einem vorzeitigen Gelenkverschleiß, das heißt einer Arthrose, vor.

Wie kommt es zum Riss?

Der Riss geschieht meist bei einer Verdrehung des Kniegelenkes beim Laufen. Besonders durch die langen Hebel von Ober- und Unterschenkel können dabei so starke Kräfte im Kniegelenk entstehen, dass es zum Riss des Bandes kommt. Besonders bei Jugendlichen kann eine seltene Sonderform der Verletzung auftreten, bei der das Kreuzband mit einem Stück Knochen aus der Verankerung reißt (sogenannter knöcherner Bandausriss). Häufig bemerkt der Patient im Moment der Verletzung ein Knallen oder Knacken im Knie. Anschließend kommt es fast immer zu einer Schwellung des Kniegelenks (Ergussbildung). Nach einer anfänglichen Schmerzphase kann der Patient aber oft ohne Schmerzen das verletzte Bein wieder belasten. Hier liegt eine große Gefahr, die Verletzung zu unterschätzen und den Riss zu übersehen. Bei einer Vielzahl von Patienten wird daher erst nach vielen Jahren die Diagnose eines Kreuzbandrisses gestellt.

Die Folgen eines Kreuzbandrisses

Durch einen Riss des vorderen Kreuzbandes wird das Knie instabil, das heiß, es kann unter Belastung zu einer starken Verschiebung zwischen Unter- und Oberschenkel kommen. Manchmal knickt das Kniegelenk unter Belastungssituationen plötzlich weg, es „rastet“ aus und wieder ein. Damit können sich Betroffene auf ihr
Knie nicht mehr verlassen und die jeweilige Aktivität, zum Beispiel das Fußballspielen, ist nicht mehr möglich. Die besondere Tragweite der Verletzung für einen Sportler wird daran deutlich, dass ein Kreuzbandriss des Kniegelenks den häufigsten Grund für einen Fußballprofi darstellt, seine Karriere vorzeitig zu beenden. Ein Kreuzbandriss kann aber auch viele Jahre lang zu keinen spürbaren Beschwerden führen und unerkannt bleiben,
und zwar häufig dann, wenn der Betroffene keine intensiven Sportarten ausübt. Dennoch besteht die Gefahr,
dass verstärkte Kräfte im Gelenk die Menisken (halbmondförmige Zwischengelenkscheiben zur Pufferung) oder
den Gelenkknorpel über die Zeit schädigen. Es kann sich dann noch nach Jahren ein wackeliges oder unsicheres
Gefühl im Knie einstellen, oder es können Belastungsschmerzen auftreten. In der weiteren Folge kann sich ein vorzeitiger Gelenkverschleiß entwickeln.

 

Welcher Patient braucht welche Therapie?

Welcher Patient braucht welche Therapie?

Vor allem für Sprtler, die ein hohes Aktivitätsniveau aufweisen, ist es wichtig, dass das Knie wieder ohne Einschränkungen funktioniert.

Weder durch eine sofortige Operation mit einer Naht des Kreuzbandes noch durch eine Gipsbehandlung kommt es zu einer verlässlichen Heilung des vorderen Kreuzbandes. Fast immer kommt es zur Entstehung eines lockeren bzw. wackeligen Kniegelenks. Dennoch kann ein Patient mit einem solchen „Wackelknie“ gut zurechtkommen, solange er keine intensiven körperlichen Aktiviä.ten oder keinen intensiven Sport betreibt. Patienten, die einen isolierten Riss des vorderen Kreuzbandes (ohne Begleitverletzungen) mit einer geringen
Instabilität des Knies und einen niedrigen Sportanspruch haben, sind die idealen Kandidaten für eine nicht operative Therapie. Auch die Wahrscheinlichkeit, eine frühzeitige Arthrose (Gelenkverschleiß) zu bekommen, ist bei Patienten mit einem geringen Aktivitätsniveau gering. Wenn ein Riss des vorderen Kreuzbandes ohne Operation behandelt wird, nimmt man das vermehrte Gelenkspiel infolge der Verletzung in Kauf und versucht,
durch die Kräftigung der Muskulatur und eine trainingstherapeutische Schulung der Koordination das Gelenk zu stabilisieren. Regelmäßige Kontrollen bei einem Kniespezialisten sind hilfreich, um bei negativen
Veränderungen (Anschwellen des Kniegelenks, Wackelknie) noch rechtzeitig das Behandlungskonzept zu ändern.
Bei Patienten mit einer komplizierten Verletzung (d. h. ein Kreuzbandriss mit relevanten Begleitverletzungen in Form von Meniskus- oder Knorpelschäden), einer ausgeprägten Instabilität des Knies und einem hohen Sportanspruch ist eine Operation anzuraten, da ohne die Operation häufiger mit Wegknickereignissen, weiteren Meniskusverletzungen und dem vorzeitigen Beginn eines Gelenkverschleißes zu rechnen ist. Insbesondere Meniskusrisse können meist mit Erfolg repariert werden, wenn das Kreuzband gleichzeitig operiert wird.

Was geschieht bei der Operation?

Bei einer operativen Behandlung wird das fehlende vordere Kreuzband heutzutage durch eine körpereigene Sehne ersetzt (von der Innenseite des Oberschenkels /Semitendinosussehne) oder ein Teil aus
der Kniestrecksehne (Patellasehne oder Quadrizepssehne). Andere Operationsstrategien, wie zum Beispiel der Einbau eines Synthetikbandes, wie in der Vergangenheit oft durchgeführt, haben sich nicht bewährt. Zunächst wird eine dieser körpereigenen Sehnen über einen kleinen Hautschnitt in der Nähe des Kniegelenks entnommen. Dann wird, meistens in einer arthroskopischen Operation (Schlüssellochtechnik), über zwei wenige Millimeter lange Hautschnitte je ein Bohrkanal in den Unterschenkel- und in den Oberschenkelknochen angelegt. Durch die Bohrkanäle wird die Ersatzsehne in das Kniegelenk eingezogen und im Knochen befestigt. Für die Befestigung im Knochen gibt es eine Fülle von Techniken. In vielen Fällen werden Schrauben verwendet, die sich im Verlauf
der Zeit selbst auflösen und damit einen Zweiteingriff zur Entfernung unnötig machen. Im Rahmen einer Heilungsphase über mehrere Monate wächst die Ersatzsehne in den Knochen ein und bildet sich
mit der Zeit zu einem lebendigen neuen Kreuzband um. In seltenen Fällen kann ein frisch gerissenes Kreuzband auch wieder verankert werden. Moderne Verfahren, die diese M.glichkeit eröffnen, unterliegen aber einer kritischen Bewertung durch Expertengremien. Wie gut die langfristigen Erfolge dabei sind, bleibt abzuwarten.

Der ideale Zeitpunkt

Generell sollte eine Operation erst dann erfolgen, wenn das Knie ausreichend abgeschwollen ist und eine weitgehend freie Beweglichkeit des Kniegelenks vorliegt. Erfolgt eine Operation bei noch geschwollenem
Knie und deutlicher Bewegungssteife, ist die Gefahr deutlich erhöht, dass sich nach der Operation Verwachsungen ausbilden und das Gelenk steif bleibt (sogenannte Arthrofibrose). Nach einer frischen Verletzung kann es besser sein, zunächst mit einer krankengymnastischen Behandlung zu beginnen und erst einige Wochen später zu operieren.

Und nach der Operation?

Nach der Operation kann rasch mit einer krankengymnastischen Behandlung mit leichten Bewegungsübungen begonnen werden, um ein Verkleben der Wundflächen zu verhindern. Während der Phase der Einheilung der Sehne wird das Kniegelenk in vielen Fällen mit speziellen Schienenapparaten, sogenannten Orthesen, geschützt,
um extreme Belastungen auf die Bänder zu vermeiden, aber dem Gelenk eine gewisse Bewegungsfreiheit zu erlauben. Wichtig für einen guten Heilerfolg nach der Operation ist eine intensive physiotherapeutische Behandlung, die sich über drei bis sechs Monate erstreckt.

Gastautor: Prof. Dr. Jürgen Höher
Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie,
Leitender Arzt der SPORTSCLINIC COLOGNE
Klinik LINKS VOM RHEIN, Köln